Kulturzeugnisse am „Kultur- und Orchideenweg Wasserliesch“

- Ferdinand Hein -

 

Die Römische Villa von Wasserliesch

Auf dem Wasserliescher Marktplatz stand einmal eine stolze römische Villa. Im 3. Jahrhundert erbaut ist sie damals Kernzelle und Mittelpunkt des Ortes gewesen. An sie erinnert der als modernes Kunstwerk gestaltete Marktbrunnen mit seinen drei markanten Steinsäulen, die den Säulen der römischen Villa nachempfunden sind. Erste Baureste wurden im Jahre 1856 anlässlich der Erweiterung des damaligen Friedhofes entdeckt, der, eingefasst von einer hohen Mauer, einen großen Teil des heutigen Marktplatzes in Anspruch nahm. Während der Bauarbeiten kamen umfangreiche Mauerreste und viele Ausstattungsgegenstände ans Tageslicht, sodass eine Rekonstruktion des Grundrisses der Anlage für diesem Bereich möglich war. Umfassende archäologische Ausgrabungen seien „wegen sonstiger Entweihung der Gräber“ jedoch nicht möglich gewesen, so der Jahresbericht der Trierer „Gesellschaft für nützliche Forschungen“ aus dem Jahre 1857. Weiter heißt es darin, die Mauerreste, marmorne Bodenbeläge und Wandplatten der Villa seien von den mit der Friedhofserweiterung beauftragten Arbeitern als Baumaterial für ihr Haus und zur Befestigung der vorbeiführenden Straße verwendet worden. Die außerhalb der Friedhofserweiterung liegenden Mauerreste des nach Süden, also zum Liescher Berg hin, ausgerichteten Teils der Villa mit seiner halbkreisförmig hervortretenden Gebäudefront befinden sich im Bereich der Bahntrasse. Beim Bau der Eisenbahn – die Strecke wurde 1878 in Betrieb genommen – sind vermutlich noch einmal Teile der Villa zerstört worden. Ebenso soll dem genannten Bericht zufolge Mauerwerk für die vorher auf dem alten Friedhof stehende Pfarrkirche verwendet worden sein. Sie wurde schon im 10. Jahrhundert erbaut und stand bis 1920 an dieser Stelle.

Als die Gemeinde im Jahre 1983 den alten Friedhof abräumen und den Marktplatz zur heutigen Form umgestalten ließ, traten andere darunter liegende Teile der römischen Villa zu Tage. Archäologen des Rheinischen Landesmuseums Trier legten die Grundmauern frei und sicherten die Überreste der dazugehörenden Badeanlage. Der Grundriss lässt vor allem das in römischen Anlagen dieser Art übliche Caldarium (Warmwasserbad), das Frigidarium (Kaltwasserbad), eine raffiniert ausgetüftelte Heizungsanlage und weitere Räume sowie einen diagonal unter diesem Bereich hindurchverlaufenden Entwässerungskanal erkennen. Diese Überreste wurden mit Erdreich abgedeckt. Einen Teil des Entwässerungskanals überbaute man mit einer Veranstaltungsbühne, einem an diese angrenzenden Schauraum mit einem Diorama, das die „Schlacht an der Konzer Brücke“ im Jahre 1675 darstellt und einem zur Straßenseite hin offenen Gebäude, aus dessen Wand der Entwässerungskanal heraustritt. Die gleich daneben auf dem Straßenpflaster liegenden Bauteile sind die letzten noch verbliebenen Überreste der römischen Villa Wasserliesch.

Auf dem Stationenweg

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Eine der Kreuzwegstationen am Stationenweg
13. Kreuzwegstation am 
Stationenweg
Wenn Sie vom Marktplatz aus den in der Übersichtskarte blau gekennzeichneten Teil des Kultur- und Orchideenweges Wasserliesch begehen, treffen Sie in der Kapellenstraße auf den Stationenweg. Der Weg wurde vor rund 200 Jah­ren – Anfang des 19. Jahrhunderts – von hier aus bis zur Wallfahrtskapelle auf der Höhe des Liescher Berges angelegt. Er überwindet auf eine Länge von etwa 1,5 km rund 200 Höhenmeter. Insgesamt 14 Kreuzwegstationen stehen in mehr oder weniger regelmä­ßigen Abständen von je bis zu ca. 100 m am Wegrand. Die Bildstöcke stellen den „Kreuzweg“ Jesu Christi dar, den er vor seiner Kreuzigung, das eigene Kreuz tragend, gehen musste, und stellen folgende Situationen dar:  
  1. Jesus wird zum Tode verurteilt.
  2. Jesus nimmt das Kreuz auf seine Schultern.
  3. Jesus fällt zum ersten Mal unter dem Kreuz.
  4. Jesus begegnet seiner tief betrübten Mutter.
  5. Simon von Kyrene hilft Jesus das Kreuz tragen.
  6. Veronika reicht Jesus das Schweißtuch.
  7. Jesus fällt zum zweiten Mal unter dem Kreuz.
  8. Jesus tröstet die weinenden Frauen.
  9. Jesus fällt zum dritten Mal unter dem Kreuz.
  10. Jesus wird seiner Kleider beraubt.
  11. Jesus wird ans Kreuz geschlagen.
  12. Jesus stirbt am Kreuz.
  13. Jesus wird vom Kreuz abgenommen und in den Schoß seiner Mutter gelegt.
  14. Der Leichnam Jesu wird ins Grab gelegt.

Einige Bildstöcke tragen Jahreszahlen, die 2. Station die römische Jahreszahl MDCCCXX (1820), die 9. Station die Jahreszahl 1812. Leider zeigen inzwischen mehrere deutliche Verwitterungsspuren. Ein Teil ist Ende der 1980er Jahre restauriert oder erneuert worden, deshalb trägt der Sockel der ersten Station die Jahreszahl 1988.

Das Herrich­ten des Stationenweges soll, einschließlich des Auf­stel­lens der Stationen, 12 Jahre in Anspruch genommen haben. Die einheitlich gestalteten Bildstöcke sind Bildhau­erar­beiten, teils aus gel­bem, teils aus rotem, heimischem, Sandstein gehauen. In das Oberteil sind guss­eiserne Reliefs eingelassen, welche die beschriebene Situation bildhaft darstellen. Die Bildstöcke bezeu­gen das handwerkliche und künstlerische Können der Wasserliescher Steinbre­cher und Steinmetze. Wartung und Pflege der einzelnen Stati­onen über­nah­men nach dem Bau einheimische Bürger und führten sie traditionell von Genera­tion zu Ge­ne­ra­tion in der Familie fort; bei einigen Stati­onen ist das noch heute der Fall.

Um die Entstehung des Stationenwe­ges rankt sich eine Le­gende, die ein Wasserliescher Lehrer im Jahre 1938 in seinem Manuskript für eine Dorf­chronik so erzählt:

„Ein Mädchen des Dorfes arbeitete als Näherin in Lu­xemburg. Eines Abends musste es noch bis spät in die Nacht nähen. Als es allein im Zimmer war, klopfte es ge­gen Mitternacht an die Tür, und herein trat ein alter Wasserliescher Mann. Erstaunt über den späten Besuch, fragte das Mädchen, was er wolle und woher er käme, worauf die­ser antwortete: „Gehe nach Wasser­liesch zu meinen Angehörigen und sage ihnen, ich hätte mir vor­genom­men, einen Kreuzweg nach Löschem zu bauen. Doch, da es mir nicht mehr möglich ist, mein Vorhaben auszufüh­ren, mögen sie sofort mit dem Bau beginnen. Verwundert fragte das Mäd­chen, warum er es ihnen nicht selbst sage. Doch keine Antwort erfolgte. Als es auf­schaute, war der Mann verschwunden. Am ande­ren Mor­gen machte sich das Mädchen auf den Heim­weg. Zu Hause erzählte es sein Erlebnis und erfuhr zu seinem größten Entsetzen, dass der Mann bereits 14 Tage be­graben sei. Nun säumten die Angehörigen nicht lange und erfüllten den Wunsch des Verstorbenen.“

Die Wallfahrtskapelle auf dem Liescher Berg

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Löschemer Kapelle mit Kreuzwegstation 
Am Ende des Stationenweges erreichen Sie auf der Höhe des Liescher Berges an ex­po­nierter Stelle die Löschemer Ka­pelle. Gleich vor diesem Kul­turdenkmal, das als Marienwall­fahrtsort viel besucht wird, fällt der Lie­scher Berg über eine Fels­wand steil ab. Hier bietet sich Ihnen ein großartiger Pano­ramablick hinunter ins Mosel- und Saartal, auf den am an­deren Ufer der Mosel gelegenen Ort Igel, über die Saarmündung und die Stadt Konz hin­weg bis nach Trier und darüber hin­aus. Mosel- und Saartal werden hier von den vielfach be­walde­ten Höhen dreier Mittelgebirgszüge flankiert. Im Westen blickt man auf den zu Luxemburg gehö­renden südlichen Ausläufer der Ardennen, im Norden auf die Eifel und im Osten auf die Erhe­bungen des zum Huns­rück gehörenden Schwarz­wälder Hochwal­des.

Ein Text aus dem 19. Jahrhundert be­schreibt die Löschemer Kapelle als einen

„Bau von einer Achse, innen 3,0 x 5,80 m groß, mit geradem Chor­schluss und flacher Decke, die in den Ecken abge­rundet ist, die Front einfach ge­gliedert, mit Fi­gurennische über dem Rundbo­gen­portal und rundge­schlosse­nen Fens­tern, auf der Mensa eine Steinni­sche mit Giebelabschluss für ein einfa­ches Kruzifix; auf seitli­chen Kon­solen Figu­ren der Mutter Gottes und des hl. Fran­ziskus.“

Auf der Mensa, dem Altartisch, steht eine Pietà, eine großfigürliche Darstellung Maria’s mit dem Leichnam Jesu Christi auf dem Schoß, wie sie vor allem in ka­tho­lischen Gotteshäu­sern „zum Ge­dächtnis der Schmer­zen Mariens“ häufig anzutref­fen ist; die Skulp­tur ist erst im 20. Jahrhundert, vermutlich nach dem Ersten Welt­krieg, hier aufgestellt worden. Die Dar­stellung einer Pietà findet sich auch als dreizehnte Station des insge­samt aus 14 Stationen beste­henden Kreuzweges Jesu Christi. Sie ist am Kultur- und Orchideenweg als vor­letzte Station des „Statio­nenweges“, etwa 100 m unter­halb der Löschemer Ka­pelle, zu se­hen.

 Wie alt ist dieses ehrwürdige Kulturdenkmal?

In seinem Manuskript für eine Chronik von Wasserliesch schreibt im Jahre 1938 ein damaliger Lehrer dazu unter anderem: „Die Kapelle soll ihren Ursprung einem Einsiedler verdanken und zu Anfang des 18. Jahrhunderts erbaut worden sein. Da sie im Laufe der Zeit verfiel, war der schöne Punkt (gemeint ist der exponierte Standort der Kapelle) bald öde geworden. Vor etwa 95 Jahren, nach 1840, wurde sie aus Schutt und Asche aufgebaut und erfreut sich seither wieder des Rufes eines Wallfahrtsortes“.

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Altartisch mit Pietà
Heute weiß man Genaueres über das Alter der Löschemer Kapelle und ihren Wiederaufbau Mitte des 19. Jahrhunderts. So gibt das Gesuch der Beige­ordneten der Gemeinde Wasser­liesch vom 27. April 1846 an „Eine Königliche, Hochlöb­liche Regierung zu Trier“ einige Informationen. Darin bitten die Unter­zeich­ner um Übernahme der Kosten in Höhe von 80 Talern für Kunstar­beiten bei der beabsich­tigten Wie­derer­richtung der Kapelle. Im Text heißt es, die Ge­meinde besitze seit etwa 60 – 70 Jahren auf der Höhe des Berges hinter dem Dorfe eine Kapelle von frommer Stiftung herrührend, worin nicht nur die Ein­wohner von Wasserliesch, sondern auch jene der Um­gebung wall­fahrend ihr Gebet verrichteten“. Sie sei seit etwa zwei Jahren ganz verfallen und die Gemeinde habe den Wunsch, „diesen ver­ehrten Wallfahrtsort wie­der­herzustellen“. Das Schreiben endet mit der heute als merkwürdig empfundenen Höflichkeitsformel: „Eine günstige Entscheidung erflehend haben die Ehre zu sein Eure Königliche, Hochlöbliche Regierung gehorsamsten Diener“. Unterzeichnet ist es von den 24 Beigeordneten der Gemeinden Wasserliesch und Reinig sowie eines Mitunterzeichners aus der Nachbargemeinde Oberbillig.

Die Behörde lehnte die Übernahme der Kosten umgehend ab, obwohl die Antragsteller doch „ehrfurchtsvoll“ darum gebeten und betont hatten, die Einwohner von Wasserliesch seien bereit, „alle Hand und Spanndienste unentgeltlich zu leisten, was gewiss kein unbedeutendes Opfer“ sei, „wenn man berücksichtigt, dass die Kapelle auf dem höchsten Bergpunkt der Umgebung liegt“ – so der authentische Text. Man hatte sich sogar erlaubt, nachdrücklich „dahin aufmerksam zu ma­chen, dass die Einwohner von Wasserliesch bisher bei allen Anforderungen seitens der Ver­waltung stets eine anzuerkennende Folgsamkeit bewiesen“ hätten und angedeutet, dass die Bereitschaft, „Dienste in der Frohnde“ zu leisten, „Schaden leiden dürfte, wenn der Gemeinde das Gesuch zur Beihilfe bei dem Bau der fraglichen Kapelle abgelehnt bleiben würde“. Es war zweifellos ein Versuch, Druck auf die Behörde auszuüben, doch auch das nützte nichts.

Als Begründung für ihre Ablehnung gab die Behörde an, „der dortige Kirchenbau“ sei „viel nötiger als die Kapelle“. Gemeint war die Erweiterung der auf dem heute nicht mehr existierenden alten Friedhof stehenden Pfarrkirche, die man fünf Jahre später realisierte. Doch trotz der Verweigerung des Kostenzu­schusses bauten die Wasserliescher und Reiniger Bürger die Löschemer Kapelle im Jahre 1846 mit eigenen Mitteln und Spenden der Bevölkerung der Nachbarorte wieder auf. Wie der Chronist zu berichten weiß, standen vor dem Wiederaufbau nur noch die Außenmauern, die man beim Wiederaufbau mit verwendete.

Dem Bittschreiben der Gemeindeväter kann man entneh­men, dass die Löschemer Kapelle „von frommer Stiftung herrührend“ in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts in den Besitz der Ge­meinde gelangte. Vorher könnte sie dem Kloster St. Alban in Merzlich-Karthaus, heute Stadtteil von Konz, gehört haben, das Besitzungen in Wasserliesch und Reinig hatte. Im Jahre 1919 wird die Kapelle erstmals in einem Inventarverzeichnis der Pfarrgemeinde erwähnt, ist also hiernach nach dem Ersten Weltkrieg in Kirchenbesitz übergegangen.

Mittlerweile ist sicher, dass die Löschemer Kapelle Anfang des 18. Jahrhunderts erbaut worden ist. Die „Chronik Wasserliesch“ nennt das Jahr 1708 noch als angebliches Baujahr. Einen genauen Hinweis auf den Zeitpunkt ihrer Erbauung liefert der Jahresbericht der „Gesellschaft für nützli­che For­schungen zu Trier“ aus dem Jahre 1853. Dieser Bericht enthält einen Artikel mit der Überschrift „Das Lager auf dem Liescher Berge“, in dem die Löschemer Kapelle ausdrücklich erwähnt wird. Das verwundert, weil es zwischen ihr und dem Bericht über das Alte Römerlager keinen sachlichen Zusammenhang gibt. Der Bericht beginnt mit dem Satz:

„Der Wasserliescher Berg, von dem die Bernarduskapelle in das Trierische Thal her­abschauet, erhebt sich als Endpunkt des Gebirges zwischen Mosel und Saar zu einer Höhe von mehr als 500 Fuß, mit ringsum sehr steilen Wänden“  und endet mit der Feststellung, die man hier nicht mehr erwartet: „Die Bernarduska­pelle trägt das Chronostichon ConseCratVM honorI beatI BernarDI abbatIs (1709)“.

Das „Chronostichon“, auch „Chronodistichon“ genannt, ist ein Chronogramm in lateinischer Sprache und lautet, in Normalschrift: „Consecratum honori beati Bernardi abbatis“, auf Deutsch: „Geweiht zur Ehre des seligen Abtes Bernhard“. Es dokumentiert damit nicht nur, dass die Löschemer Kapelle nach ihrer Errichtung dem heiligen Bernhard geweiht wurde, sondern nennt gleichzeitig ihr Alter in römi­schen Zahlen, die im Text versteckt sind. Die im Original hervorgehobenen – groß geschriebenen – Buchstaben mit ihren Zahlwerten (C = 100, V = 5, M = 1000, I = 1 und D = 500) ergeben zusammenad­diert das Jahr 1709. Die Löschemer Kapelle ist also, diesem Chronogramm zufolge, im Jahre 1709 geweiht worden, womit das Baujahr 1708 indirekt bestätigt wird. Mit „Bernhard“ ist Bern­hard von Clairveaux gemeint, Zisterzienserabt und Kirchenlehrer, der ~1090 geboren wurde und bis zum 20.8.1153 lebte. Leider ist das Chronodistichon, das diese Aussage belegt, in der Kapelle heute nicht mehr vorhanden. Vermutlich wurde es bei Reno­vierungsarbeiten beseitigt oder überdeckt und ist dann in Vergessen­heit geraten.

Die Tatsache, dass die Löschemer Kapelle als „Bernharduskapelle“ ursprünglich dem heiligen Bernhard geweiht war, ist heute nicht mehr allgemein bekannt. Vermutlich hat man es vergessen oder verdrängt, weil hier seit langem die „Schmerzhafte Mutter Gottes“ verehrt wird. Jedenfalls ist sie heute eine  „Marienkapelle“. Wann die Marienverehrung begann, weiß niemand, sicher war das nicht von Anfang an der Fall. Vermutlich entwickelte sie sich erst nach dem Wiederaufbau im Jahre 1846. Den Anstoß könnte das von Papst Pius IX. im Jahre 1854 verkündete Dogma der „Unbefleckten Empfängnis“ Ma­riens gegeben haben, das der Marienverehrung damals weltweit großen Auftrieb gab.

Nach dem Manuskript einer Ortschronik des damaligen Wasserliescher Lehrers Neises aus dem Jahre 1938 ist das Innere der Löschemer Kapelle Ende des 19. Jahrhunderts durch eine Lourdes-Grotte „verschönert“ worden. Die Grotte sei am 20. August 1893 in feierlicher Prozession den Berg hinauf geschafft worden. Heute ist sie nicht mehr vorhanden; wann sie wieder entfernt wurde, ist unbekannt. Je­denfalls wird die Mutter Gottes in der Löschemer Kapelle seit Menschengedenken verehrt. Danktafeln an den Innenwänden und brennende Votivkerzen vor dem Altarbild belegen, dass nach wie vor viele Gläubige hier Hilfe und Trost suchen und finden.

Seit ihrem Wiederaufbau im Jahre 1846 erforderte die Löschemer Kapelle rund 100 Jahre lang, außer einem immer wieder mal fälligen Innenanstrich, keine nennenswerten Unterhal­tungsaufwendungen, obwohl unter anderem zwei Weltkriege über sie hinweggegangen sind. Erst 1969/70 war wieder eine durchgreifende Renovierung mit vollständiger Dacherneuerung notwendig. Im Jahre 2003 wurde der Außenbereich mit einem festen Bodenbelag, neuen Treppenstufen, schmiedeeisernen Handläufen und einem ebensolchen Geländer als Abschluss zur Talseite hin neu gestaltet und der Innenraum renoviert.

Bis lange in die Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg hinein – und manchmal auch heute noch – bewältigen wallfahrende Besucher die 200 Höhenmeter von der Talsohle bis zur Löschemer Kapelle, den Rosenkranz betend und Marienlieder singend, meist in kleinen Gruppen zu Fuß, im wesentlichen auf einem der folgenden drei Wege:

Vom Ortsteil Reinig aus bevorzugte man früher den in der Mundart „Löschemer Piёdchen“ (Pfädchen) genannten Weg. Er zweigte von der Granastraße in Richtung Wald ab, folgte in etwa der Straße „Im Kestenbüsch“, dann dem unteren Weg im Wald, im so genannten „Kopf“. Ab der nach ca. 200 m anzutreffenden Weggabelung bot er den Pilgern zwei Varianten. Die eine, beschwerlichere, aber etwas kürzere, führte an dem auf gleicher Höhe liegenden Buntsandsteinfelsen vorbei, dann als schmaler und steiniger Steig den Berg hinauf, bis er auf halber Berghöhe, ungefähr an der 10. Kreuzwegstation des Stationenweges, in diesen einmündete – diese Variante ist heute nicht mehr begehbar. Die andere Variante mündete von der genannten Weggabelung aus dem Weg nach oben folgend in den Kultur- und Orchideenweg, dann weiter an dem Kriegerehrenmal und dem alten Steinbruch im Wald (siehe dort) vorbei, um wenige Meter oberhalb der erstgenannten Teilstrecke den Stationenweg zu erreichen. Diesen vom Ortsteil Reinig aus zur Löschemer Kapelle führenden Weg konnte und kann man, bei guter körperlicher Verfassung, in ca. einer Stunde bewältigen.

Kürzer, aber steiler und daher beschwerlicher zu begehen, führt der „Stationenweg“ unmittelbar vom Ortszentrum aus direkt zur Löschemer Kapelle hinauf. Hier bieten sich die 14 Kreuzwegstationen als Ruhepunkte und Gebetsstätten an. Wer gut zu Fuß ist und sich in guter körperlicher Verfassung befindet, kann diesen Weg in knapp einer Stunde schaffen. Der Stationenweg sollte allerdings, wie auch der Kultur- und Orchideenweg und die übrigen Wege am Berghang des Löschemer Berges, nur mit geeignetem Schuhwerk begangen werden.

Der „bequemste“ aber längste Weg zur Löschemer Kapelle führt aus dem Ort heraus über die Löschemer Straße den Berg hinauf bis zum Parkplatz „Perfeist“ und von dort aus fast eben, sozusagen den Kultur- und Orchideenweg rückwärts entlang. Früher, noch als Schotterweg ausgebaut, zog man diese Möglichkeit den anderen beiden Wegstrecken nicht unbedingt vor, erforderte er doch deutlich mehr als eine Stunde Fußmarsch. Allerdings bot er damals wie heute die einzige Möglichkeit, die Löschemer Kapelle mit Fahrzeugen zu erreichen. Früher nutzte man diese Wegstrecke im Frühjahr regelmäßig für die letzte der traditionell an drei aufeinander folgenden Tagen stattfindenden „Bittprozessionen“. Voran die Ministranten in ihren rotweißen Röcken, das Kreuz abwechselnd tragend, gefolgt vom Pastor im vollen Ornat, dahinter eine lange Reihe wallfahrender Teilnehmer, startete die Prozession frühmorgens um 6 Uhr an der Pfarrkirche und bewegte sich betend und singend den Berg hinauf bis zur Löschemer Kapelle, in der eine Marienandacht den Abschluss bildete.

Wer einen dieser drei Wege zur Löschemer Kapelle schon einmal begangen hat, kann leicht nachvollziehen, weshalb die Antragsteller in dem oben zitierten Bittschreiben zur Erlangung eines Kostenzuschusses darauf hingewiesen haben, dass die Kapelle auf „dem höchsten Bergpunkt der Umgebung“ stehe. Zwar ist der Liescher Berg keineswegs die höchste Erhebung hier, doch war es in der Tat recht beschwerlich, das notwendige Baumaterial und Handwerkszeug zur Kapelle zu schaffen. Als Frondienst leistender oder Freiwilliger musste man ja viele Male zu Fuß mit all diesen Dingen beladen den Berg hinauf- und wieder heruntersteigen. Ähnlich beschwerlich war es natürlich für die wallfahrenden Gläubigen, wenn sie denn einen der drei Wege von unten bis oben und wieder zurück zu Fuß zurücklegten. Eine „Wallfahrt nach Löschem“, wie man allgemein sagte, geriet da leicht zu einem echten Bußgang. Heutzutage macht man es sich in der Regel leichter, denn vom Parkplatz „Perfeist“ aus kann der „moderne Pilger“ die Löschemer Kapelle in einem bequemen Spaziergang nach 10 bis 15 Minuten Fußweg erreichen.

 

Granahöhe und Granadenkmal, ein Ort der Geschichte

Wenn Sie sich Wasserliesch von Trier oder Konz herkommend nähern, fällt Ihnen die impo­sante steil abfallende Flanke des 347 Meter hohen Liescher Berges, hier auch „Löschemer Berg“ genannt, sofort ins Auge. Dagegen wirkt die rundum bewaldete etwa 30 Meter hohe Granahöhe als eine der unteren Terrassenstufen des Berghanges mit dem Granadenkmal darauf eher unscheinbar. Man sieht es ihr nicht an, dass sie und das weite Tal am Zusammen­fluss von Saar und Mosel mit den angrenzenden Berghängen im Jahr 1675 Schauplatz eines bedeutenden kriegerischen Ereignisses war, das als „Die Schlacht bei der Conzer Brück“ in die Geschichte eingegangen ist.

Dem in der Übersichtskarte rot gekennzeichneten Kultur- und Orchideenweg Wasserliesch vom Ausgangpunkt am Tennisplatz in Richtung Granahöhe folgend oder auf einem der unterhalb der Gra­nahöhe beginnenden Fußpfade aufwärts wandernd, erreichen Sie auf der Höhe des Felsgrades oberhalb roter Buntsand­steinfelsen das monumental wirkende Grana­denkmal. Aus Sandstein gehauen, einge­fasst von einer niedri­gen Mauer mit gusseisernem Ge­länder, steht das Kultur­denkmal auf einem wuchtigen Stufenpodest. Vielleicht über­rascht es, auf einer Seite des Obelisken in den Stein gemeißelt „Errichtet 1892“ zu lesen, denn da­mals, wäh­rend der Regierungszeit Kaiser Wil­helm II., waren ja seit der Schlacht schon mehr als 200 Jahre ins Land gegan­gen.

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Das Granadenkmal 
auf der Granahöhe
Nun erinnert das Granadenkmal nicht in erster Li­nie, wie man denken könnte, an den Generalmajor de Grana, dessen Namen es trägt. Auch wenn er es war, der da­mals einen Teil der Truppen des Deut­schen Kaisers Le­opold I. aus dem Hause Habs­burg im Kampf gegen eine Armee des Sonnenkönigs Lud­wig XIV. erfolgreich führte, ging es den Erbauern des Denkmals wohl mehr um den „glänzenden Sieg“ – so die Inschrift, den die kaiserlichen Trup­pen im Kampf mit den jahrhun­dertelang als Erz­feinde geltenden Franzosen erringen konnten. Folglich gibt es auf oder an dem Monu­ment auch keine Figur oder Abbildung des Generals. Vielmehr erhebt sich dar­auf ein steiner­ner Reichsadler. Offensichtlich hatten sich die Erbauer rund 20 Jahre nach der Gründung des zweiten Deutschen Rei­ches im Jahre 1871 mehr vom Nationalbewusstsein als von dem schon sehr lange zu­rücklie­genden Kriegsge­schehen inspirieren lassen.

Die Enthüllung des neu errichteten Granadenkmals am Nachmittag des 7. August 1892 war ein Großereignis, über das die damalige „Trierische Landeszeitung“ aus­führlich berichtete. Der Zeitungsartikel schilderte das Geschehen unter anderem wie folgt:

„Conz-Karthaus 7. August. Von herrlicher Witterung mittlerer Temperatur begünstigt, fand heute Nachmittag die feierliche Enthüllung des auf dem Schlachtfelde bei Conz errichteten Grana-Denkmals statt. Wie vorauszusehen, war die Beteiligung ungemein groß, und so gestaltete sich die schöne Feier zu einer erhebend-patriotischen Kundgebung“.

„Deputationen“ begrüßten die anreisenden Ehrengäste und andere Teilnehmer auf dem Bahnsteig des Bahnhofs Konz. Aus Trier traf sogar ein eigens eingesetzter Sonderzug ein. Kurz nach 15 Uhr setzte sich ein langer Festzug unter den Klängen der Kapelle des 69. Infanterie-Regiments, „welche zur Hebung der Feier zur Verfügung gestellt war, unter den herrlich schmetternden und wirbelnden Klängen der Musik durch die in prächtigen Fahnen- und Girlandenschmuck prangenden Straßen durch Conz über die Saarbrücke zur Granahöhe“ in Bewegung. Neben hunderten von Teilnehmern beteiligten sich eine Vielzahl einheimischer und auswärtiger Vereine an der Feier, wie Kriegerverein, Kriegerbund, Turnverein, Casino-Gesellschaft sowie Gesang- und Musikvereine. Auch die Fähnchen schwingende Schuljugend unter der Führung von Lehrer und Pfarrer fehlte nicht, „was sehr schön aussah“, wie die Zeitung schreibt – allerdings durften nur die Jungen Fähnchen schwingen.

Der Bericht betont ausdrücklich die patriotische Stimmung und stellt fest: „Insbesondere lenkte der Triumphbogen des „Kriegerbund“ durch seine sinnreiche Ausführung die Aufmerksamkeit der Vorübergehenden auf sich. Die Inschriften: „Dolce et decorum est pro patria mori“ (Süß und ehrenvoll ist es, für’s Vaterland zu sterben) und weiter: „Laßt, bevor wir unsre Schritte bergan lenken, uns noch der im Thal Gefall’nen hier gedenken!“ zerstreuen jeden Zweifel daran, dass sich die Erbauer des Granadenkmals vom neu gewonnenen Nationalbewusstsein leiten ließen. So sprach denn auch der Festredner, der Trierer Regierungspräsident von Heppe, vor der Übergabe des Denkmals an den damaligen Gemeindeverband Konz–Wasserliesch „von den früheren bemuthigenden („entmutigenden“ würde man heute sagen) Zuständen im deutschen Lande“ und verwies auf „unser heutiges einiges und mächtiges Deutschland“. Er erinnerte an „die Bedeutung der Schlacht bei Conz am 11. August 1675, deren Andenken gefeiert werde durch das errichtete Grana-Denkmal“.

Und weiter schreibt die Zeitung: „Das am Schlusse der Festrede beim Fallen der Hülle mit zündenden Worten ausgebrachte Hoch auf Seine Majestät Kaiser Wilhelm II. fand brausenden Widerhall. Darauf wurde von der unübersehbaren Menschenmenge unter den Klängen der Musik die Nationalhymne (damals noch die Kaiserhymne: „Heil, dir im Siegerkranz“) gesungen. Im weiteren Verlauf der Feier wechselten Musikstücke und gemeinsame Vorträge patriotischer Lieder“. Heute, rund 120 Jahre danach, kann man all das nur noch schwer nachvollziehen.

Der Rest der Einweihungsfeier trug Volksfestcharakter. Es gab, wie auch heute noch bei ähnlichen Anlässen, belegte Brötchen, heiße Würstchen und Getränke. Die Besucher bemühten sich, wie es heißt, in einem unterhalb der Granahöhe aufgestellten Zelt eines Konzer Gastwirts „den leiblichen Bedürfnissen Rechnung zu tragen. Doch vielen Hunderten konnte dieß bei der großen Menschenmenge nicht gelingen. Viele zogen daher nach den benachbarten Orten.“ Schließlich brannte man bei Eintritt der Dunkelheit auf der Granahöhe ein großes Feuerwerk ab, und „den Schluss des schönen Nationalfestes für Conz-Karthaus und Umgebung bildete ein von den hiesigen Vereinen veranstalteter Ball.“

Der vollständige auf den vier Seiten des Grana-Denkmals in den Obelisken eingemeißelte Text der Inschrift lau­tet:

ZUR ERINNERUNG AN DIE SCHLACHT BEI DER CONZER BRÜCKE

·          

Am 11. August 1675 erfochten hier Deutsche Trup­pen, Kaiserliche, Lothringer, Lüneburger, Münster­länder, Osnabrücker, Trierer unter Herzog Georg Wilh. v. Braunschweig-Lüneburg über die Franzosen unter Marschall de Crequi einen glänzenden Sieg. Bleibt Deutsche einträchtig! So bleibt ihr ... mächtig.

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Bald nach dieser Schlacht wurde Trier der Gewalt der Franzosen entrissen und der durch deutsche Gesinnung ausgezeichnete Kurfürst Erzbischof Karl Kaspar von der Leyen zog wieder in seine Haupt­stadt ein.

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Von dieser Höhe setzte der Kaiserliche General GRANA den Angriff des rechten Flügels an, der die Niederlage der Feinde nach dreistündigem Kampfe entschied.

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ERRICHTET 1892

Interessant ist, dass der zweite Teil des zitierten Satzes: „Bleibt Deutsche einträchtig, so bleibt ihr mächtig,“ ursprünglich einmal lautete: „... so bleibt ihr stets mächtig“. Das Wörtchen „stets“ wurde irgendwann entfernt, die Lücke im Text ist deutlich erkennbar. Leider ist nicht bekannt, aus welchem Grund das geschah und wer es veranlasste.

Nach der Einweihung entwickelten sich Granahöhe und Granadenkmal zu einem beliebten Ausflugsziel für Wanderer und Spaziergänger und blieben es bis in die Jahre des Zweiten Weltkrieges hinein; danach geriet die Gedenkstätte mehr und mehr in Vergessenheit. Dennoch schrieb sie auch weiterhin Geschichte. Als der Zweite Weltkrieg zu Ende war, besetzten zunächst die Amerikaner unsere Gegend, die Franzosen lösten sie kurz danach ab. Sie errichteten in der Niederung um die Granahöhe herum auf einem Teil des historischen Schlachtfeldes ein großes Militärlager, das rund vierzig Jahre bestehen bleiben sollte. Sinnigerweise trug es den Namen „Lager Granahöhe“, eine Bezeichnung, die die Franzosen eigentlich ständig an die fast dreihundert Jahre vorher auf dem Gelände erlittene Niederlage hätte erinnern müssen. Vermutlich war das den Verantwortlichen, zumindest anfangs, nicht bewusst, sonst hätten sie wohl einen anderen Namen gewählt und möglicherweise sogar das Granadenkmal zerstört. Es blieb jedoch unversehrt und führte zwischen immer höher aufwachsenden Bäumen lange Zeit einen Dornröschenschlaf. Erst in den 1990er Jahren erinnerte man sich seiner, renovierte es und sorgte wieder für freie Sicht in die Ebene hinein.

Wer war denn dieser Generalmajor Otto Heinrich Marchese de Savone Caretto de Grana, wie er mit vollem Namen hieß?

Die Frage ist nicht einfach zu beantworten, denn in der einschlägigen Literatur sucht man ihn oft vergeblich. Bekannt ist, dass er im Jahre 1639 in Genua geboren wurde und am 15. Juni 1685 in Mariemont in der belgischen Provinz Hennegau starb. Er ist also nur 46 Jahre alt geworden, was zur damaligen Zeit nicht ungewöhnlich war. Zu Zeiten Kaiser Leopold I., der von 1658 bis 1705 regierte, ist er Kommandant der kaiserlichen Truppen in Bonn gewesen. Weitere Einzelheiten seines Wirkens sind nicht bekannt. Jedenfalls richtete er am 11. August 1675 nachts oder frühmorgens vor der Schlacht an der Konzer Brücke sein Hauptquartier auf der niedrigen Anhöhe ein, die heute seinen Namen trägt. De Grana ist also nicht als großer Heerführer in die Geschichte eingegangen, auch wenn ihm der Sieg über die Franzosen in der Schlacht an der für den Übergang über die Saar wichtigen Konzer Brücke einen gewissen Ruhm verschaffte. Mehr aber auch nicht, was wohl damit zusammenhängt, dass die gewonnene Schlacht zwar die Stadt Trier und das Trierer Land von der französischen Besatzung befreite, aber die politische Landschaft in Deutschland insgesamt nur wenig beeinflusste.

Doch wie kam es eigentlich zu der für die kaiserlichen Truppen siegreichen Schlacht im Gelände um die Granahöhe herum?

 

Der Westfälische Friede hielt nicht lange

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„Sonnenkönig“ Ludwig XIV.

In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts wirkten in unserer Heimat die Folgen des mit dem „Westfälischen Frieden“ im Jahre 1648 zu Ende gegangenen „Dreißigjährigen Krieges“ immer noch nach. Auch in Wasserliesch mit seinem heutigen Ortsteil Reinig, damals noch eigenständige Gemeinde, hatte es während dieses Krieges viele Überfälle und Brandschatzungen fremder Truppen gegeben. Die überwiegende Zahl der Bewohner soll dabei ums Leben gekommen sein. Es herrschte große Not und die Überlebenden kamen auch in den Folgejahren nicht zur Ruhe. Immer wieder durchzogen fremde Söldner das Land, raubten und brandschatzten und pressten die Bewohner aus.

Der Westfälische Friede hatte eine völlige Neuordnung der politischen Verhältnisse in Deutschland gebracht. Nach dem Tode Kaiser Ferdinand III. im Jahre 1657 erhielt Leopold I. die Kaiserwürde. Doch der Deutsche Kaiser hatte seine Macht im Reich verloren, ihm stand unter den Reichsfürsten nur noch der Vorsitz im Reichstag zu. Alle größeren und kleineren Herrscher konnten im Prinzip nach Belieben schalten und walten, waren aber auf Bündnisse mit den anderen Herrschern angewiesen, wenn sie über ihre Grenzen hinweg etwas bewegen oder gar einen Krieg führen wollten. Insgesamt soll es etwa 250 souveräne Staatsgebilde mit ihren Fürsten, Bischöfen, Herzögen, Grafen und anderen Regenten gegeben haben. Das durch die Zersplitterung in Kleinstaaten recht schwach gewordene Deutschland bildete den Hintergrund für die Ereignisse, die zur Schlacht an der Konzer Brücke führten.

Der französische König Ludwig XIV. konnte in dieser für ihn günstigen Lage die Vormachtstellung Frankreichs problemlos weiter ausbauen. Hatte er keinen aktuellen Anlass, einen Krieg zu führen, fand er einen, meist, um Frankreich Gebiete einzugliedern. Einer dieser Kriege war der „Französisch-Niederländische Krieg“, auch „Hol­ländischer Krieg“ genannt, von 1672 bis 1678, in dessen Verlauf er die südlichen Provinzen der spani­schen Nie­derlande Frankreich einverleiben wollte. Auch wenn man auf den ersten Blick keinen Zusammenhang zwi­schen diesem Krieg und der Schlacht an der Konzer Brü­cke vermutet, hat sie sich doch aus diesem Konflikt erge­ben.

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Trierer Kurfürst
Karl Caspar von der Leyen
Zur Vorbereitung des Holländischen Krieges ließ Lud­wig XIV. schon Ende 1671 mit Zustimmung des Trie­rer Kurfürsten Karl Kaspar von der Leyen – er hätte sie dem mächtigen Nachbarn wohl kaum verweigern können – Truppen und Nachschubtransporte durch das Trierer Land durchführen. Ab Mai 1672 gab es regelmäßige Truppen- und Provianttransporte auf der Mosel. Allein in der Zeit von April bis August desselben Jahres zählte man 200 Ver­sorgungsschiffe.

 

Der Trierer Erzbischof und Kurfürst zählte durchaus zu den bedeutenderen Fürsten. Er stand dem im 3. Jahr­hundert gegründeten Bistum Trier vor, das im 6. Jahr­hundert Erzbistum wurde. Seit 9o2 übten die Trierer Erz­bischöfe neben der kirchlichen auch die weltliche Herr­schaft aus. Ihr Herrschaftsbereich, auch „Kurtrier“ ge­nannt, wuchs ständig und umfasste in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts nicht nur das Gebiet um die Stadt Trier herum, sondern auch das Land an der unteren Saar, weite Regionen von Eifel und Hunsrück und Teile von Westerwald und Taunus. Trier war auch 1672 noch die Hauptstadt des Kurfürstentums, doch der Kurfürst residierte, nachdem es ihm in Trier zu unsicher geworden war, ebenso wie seine Vorgänger seit 1629, im Schloss Philippsburg in Ehrenbreitstein – heute Stadtteil von Kob­lenz.

Im März 1673 überfiel Ludwig XIV. das bis dahin neutrale Holland. Der „Große Kurfürst“ Friedrich Wilhelm von Brandenburg schloss sich daraufhin mit dem deut­schen Kaiser zusam­men in der Absicht, Holland mit ei­ner gemeinsamen Armee von der Eifel her zu Hilfe zu kom­men. Dazu kam es jedoch zunächst nicht, denn der Trierer Kurfürst stimmte dem Übergang der Armee über den Rhein bei Koblenz nicht zu. Er wollte aus Sorge um sein Land nicht of­fen Partei ergreifen und neutral bleiben.

Die kaiserlichen Truppen zogen anschließend von Koblenz aus, trotz des Einspruchs des Kurfürsten, in südlicher Richtung weiter. Ludwig XIV. nahm daraufhin an, der Kurfürst habe den Kai­serlichen den Rheinübergang an anderer Stelle gestat­tet. In der Tat hatte es eine geheime Abmachung ge­geben. Der Kurfürst war aber überzeugt, seine Neut­ralität nicht verletzt zu haben, zumal er die Truppen­transporte der Franzosen durch sein Gebiet weiterhin erlaubte. Lud­wig XIV. verstand diese Vor­gänge jedoch als Affront, erst recht, nachdem der Kur­fürst auch noch ei­nige kai­serliche Kompa­nien zum Schutz seines Landes in Trier stationieren ließ; außerdem befürchtete Ludwig, die für ihn wichtigen Was­serstraßen Mosel und Rhein zu verlieren.

 

Der Rachefeldzug Ludwig XIV.

Nachdem sich die Holländer gegen den Überfall der Franzosen mit einem Trick erfolgreich zur Wehr gesetzt hatten – sie öffneten die Schleusen und setzten weite Teile ihres Landes unter Wasser, nahm Ludwig XIV. seinen Misserfolg als Gelegenheit, einen Rachefeldzug gegen Trier zu beginnen. Aber es ging ihm sicher nicht nur um Rache, sondern eben auch um die wichtigen Transportwege Mosel und Rhein. So zog er im Juli 1673 eine 20 000 Mann starke Armee aus Holland ab und besetzte, von Luxemburg her kommend, große Teile des Trierer Landes. Den Heerführern der Besat­zungstruppen hatte er aufgetragen, von der Bevölkerung 133 000 „Livres“ als Kontribution für den Unterhalt seiner Truppen einzutreiben. („Livre“ ist die Bezeichnung für ein französisches Pfund, das Livre war kein Zahlungsmittel, sondern eine Rechnungseinheit; die geforderte Summe könnte in etwa 15 Millionen Euro entsprechen).

Die Bewohner waren natürlich nicht in der Lage, soviel Geld aufzubringen. Was das zur Folge hatte, kann sich jeder ausmalen, der weiß, was fremde Soldaten unter solchen Umständen mit der Zivilbevölkerung tun. Einzelheiten dazu nennt ein Bericht des Trierer Amtes St. Maximin, der heute im Stadtarchiv aufbewahrt wird. Hierin heißt es in der damaligen Ausdrucks- und Schreibweise:

„Alle Dorfschaften...sind überfüllt mit dem Kriegsvolck, Musquetiers und der Leibguarde des Königs. Es ist nicht ein einziger Cavallier von ihnen, der nicht ein oder zween Diener habe. Es sind Häuser, worin 6 oder 8 zugleich und so viel Knecht und Pferdt inlogiert sein. Sie verderben und verhergen den ganzen Erndt. Es ist ein Elend und Jammer zu sehen und zu hören der armen vorhin verderbten Unterthanen Geschrei und Lamentationes.“

Von den Behörden und Klöstern der Region holten sich die Franzosen das nötige Bargeld. Dazu heißt es in dem Bericht:

„Monsieur de Fourille (ein französischer General) tringt stracks das Geld zu haben. Das Amt Wittlich hat 3 000 Reichsthaler accordieren müssen, womit sie das Amt verlassen und delogieren möchten, und sollen besagte Truppen das Amt Welchbillig beziehen und darin Quartier machen. Er, der Fourille, hauset gleichermaßen mit der Cleresey (Geistlichkeit). Den Abt zu Hemmerode hat er auf 2 000 Reichsthaler gezwungen, ebenmäßig Clausen soviel, Sprangersbach 1 000, das Hospital Cues 500 Reichsthaler und also fort mit den anderen.“

Nach der Besetzung großer Teile seines Landes durch die Franzosen wandte sich der Trierer Kurfürst immer wieder mit der Bitte um Hilfe an den Reichstag, doch zunächst ohne Erfolg.

Am 24. August 1673 hatten die Franzosen Trier vollständig eingeschlossen, die Stadt selbst aber noch nicht eingenommen. Die Aufforderung, sich zu ergeben, lehnte der Verhandlungsführer des Kurfürsten, einer der Domherren, ab. Das reizte Ludwig XIV. noch mehr, woraufhin er die Stadt mit Kanonen beschießen ließ. In einem Brief an seinen Kriegsminister schrieb er dazu: „Je veux faire tout ce que sera necessaire pour prendre Trèves (Ich werde alles tun, was nötig ist, um Trier einzunehmen).“ Als die Stadtmauern dem Beschuss nicht mehr standhielten, musste sich die Stadt am 7. September 1673 nach 14tägiger Belagerung ergeben. 6 000 Franzosen besetzten die Stadt, die Verwaltung übernahm ein französischer Gouverneur. Die kurtrierischen und kaiserlichen Truppen, die sie verteidigt hatten, setzten sich per Schiff in Richtung Koblenz ab. In der Folgezeit bauten die Franzosen die Stadt zu einer Festung aus. Um für die Abwehr eines Vergeltungsangriffs der kaiserlichen Truppen freies Schussfeld zu haben, ließen sie fast alle Gebäude außerhalb der Stadtmauern niederreißen. Dieses Vorhaben war Ende 1674 abgeschlossen, die Stadt glich danach in der Tat einer Festung, aber ihre Umgebung war verwüstet.

 

Die Schlacht an der Konzer Brücke

Die Hilferufe des Kurfürsten an den Reichstag begannen Früchte zu tragen. Der Kaiser schloss mit Spanien und den Niederlanden eine Koalition gegen Frankreich. Es gelang ihm so, bis Ende 1673 ein Heer aufzustellen und die Franzosen aus dem rechtsrheinischen Gebiet, wo sie bis an Tauber und Main vorgedrungen waren, zu vertreiben. Im Frühjahr 1674 erhielt das Heer Verstärkung durch Truppen aus Mainz, Trier und der Kurpfalz. Im Juli trat auch der Große Kurfürst von Brandenburg der Koalition bei. Am 24. Mai erklärte der Reichstag zu Regensburg Frankreich den Krieg.

Drei Armeen hatte der Kaiser für den Einsatz gegen Frankreich aufgestellt, eine davon zog er in Köln zusammen. Sie bestand aus 2 500 Mann lothringisches Militär des Herzogs Karl V. von Lothringen, dem Ludwig XIV. zuvor sein Land genommen hatte, 8 000 Mann mit 14 Geschützen des Herzogs Georg Wilhelm von Braunschweig-Lüneburg, 3 000 Osnabrückischen Soldaten, 800 Reitern des Herzogs Ernst August von Braunschweig-Lüneburg, 3 000 Soldaten des Bischofs von Münster, 3 500 Mann der kaiserlichen Truppen – darunter 2 000 aus Luxemburg und nochmals 2 000 spanischen Soldaten aus Luxemburg sowie 3 000 Kurtrierische Fußsoldaten und Reiter. Ein stattliches Heer also, das am 14. Juli 1675 aufbrach, um die Stadt Trier und das Trierer Land den Franzosen wieder abzunehmen.

Am 4. August begannen die Kaiserlichen, die Stadt Trier einzuschließen. Ludwig XIV. ließ deshalb ein Entsatzheer, bestehend aus 15 000 Mann mit 11 Kanonen, unter Führung des Marschalls François de Bône de Créqui (auch: „de Créquy“  geschrieben) von Lothringen her in Marsch setzen, um den in der Stadt eingeschlossenen Franzosen zu Hilfe zu kommen. Auf der alten römischen Heerstraße über den heutigen Saargau kommend lagerte das Heer am 9. August zunächst auf einer Anhöhe bei Tawern, etwa zwei Kilometer südlich des Schlachtfeldes. Von dort aus rückte es am Tag der Schlacht in die Talweitung zwischen der Konzer Brücke und dem Liescher Berg vor und besetzte auch die umliegenden niedrigeren Erhebungen einschließlich der Granahöhe.

Die kaiserlichen Heerführer ließen einen Teil der Belagerer vor der Stadt Trier zurück. Sie stießen mit dem größten Teil der Streitkräfte über den Berg, dem heutigen Stadtteil von Konz, Roscheiderhof, hinweg, zur Konzer Brücke vor, um die Saar zu überqueren und den Franzosen in der Talweitung entgegenzutreten. Zeitgleich setzte ein weiterer französischer Truppenverband mit 2 800 Mann und 6 Kanonen unter General Granvalle von der gegenüberliegenden Flussseite her über die Mosel in der Absicht, die deutschen Truppen am Überqueren der Saar zu hindern. Doch es gelang den Kaiserlichen, die von den Franzosen besetzte und teilweise zerstörte Konzer Brücke zu befreien. Pioniere machten sie behelfsmäßig wieder benutzbar und errichteten wenige Meter flussaufwärts eine von Booten getragene Behelfsbrücke. Schon tags zuvor hatte General de Grana mit dem von ihm befehligten Teil des kaiserlichen Heeres die Saar überquert, war entlang der Mosel nach Reinig – heute Ortsteil von Wasserliesch – vorgestoßen. Dort gelang es ihm, zwei auf der Mosel liegende Proviantschiffe der Franzosen zu erbeuten. Anschließend befreite er die besetzte Granahöhe und richtete hier sein Hauptquartier ein.

Das war die Lage, aus der heraus sich am 11. August 1675 die Schlacht an der Konzer Brücke entwickelte. General de Grana leitete den Einsatz der ihm unterstellten kaiserlichen Truppen von der damals unbewaldeten niedrigen Felsterrasse aus, die heute seinen Namen trägt. Sie bot ihm einen umfassenden Überblick über das gesamte Schlachtfeld. Das kaiserliche Heer überquerte unter Leitung der anderen Befehlshaber die Saar über die Konzer Brücke und über die Pionierbrücke sowie durch einige Furten und griff die Franzosen in der Ebene an.

Wegen der Übermacht der Franzosen und ihrer geländebedingten Vorteile – sie konnten die bewaldeten Anhöhen um das Schlachtfeld herum als Aufmarsch- und Rückzugsgebiet nutzen – war ein deutscher Sieg eher unwahrscheinlich. Aber der sieggewohnte französische Marschall de Créqui hatte die Stärke der der kaiserlichen Truppen unterschätzt und außerdem nicht für eine ausreichende Sicherung des linken Flügels seiner Truppen gesorgt. Als man ihm den Übergang der Kaiserlichen über die Saar meldete, soll er gesagt haben: „Es sind immer noch nicht genug Deutsche herüber; lasst sie nur kommen, je mehr, desto besser, umso mehr finden hier ihr Grab“. General de Grana erkannte die Schwachstelle und setzte von der Granahöhe aus, trotz des an dieser Stelle besonders schwierigen Geländes, den „rechten Flügel“ dort an. Obwohl seine Truppen erst einmal eine unwegsame Schlucht überqueren mussten, brachte diese Taktik die Wende im Kampfgeschehen und entschied zuletzt „die Niederlage der Feinde nach dreistündigem Kampf“, so die Inschrift auf dem Grana-Denkmal.

Die Lage, die sich daraus entwickelte, beschreibt ein zeitgenössischer Bericht so: „In diesem Stande fielen die Keyserlichen Truppen die Völcker (die Franzosen) so heftig an, dass sie diese Regimenter gäntzlich schlugen und in die Pfanne hacketen, dabei dem gantzen frantzösichen Lager ein solches Schrecken einjageten, daß ein jeder mehr umb die Flucht als umb das Fechten dachte“. Die Kaiserlichen verfolgten die Franzosen, etwa 50 Kilometer weit bis nach Sierck in Lothringen unweit hinter der heutigen deutsch-französischen Grenze.

Das französische Heer wurde vollständig aufgerieben. Die Franzosen erlitten katastrophale Verluste. 2 000 Mann fielen, 1 600 gerieten in Gefangenschaft. Neben 80 Fahnen und Standarten erbeuteten die kaiserlichen Truppen alle 11 Kanonen und 200 Wagen mit Versorgungsgütern. Sogar das Tafelsilber Marschall de Créqui’s erbeuteten die Kaiserlichen. Aber auch mehr als 1 000 kaiserliche Soldaten haben ihr Leben lassen müssen. Viele der Gefallenen beider Seiten sollen in Massengräbern oberhalb der Granahöhe auf einer etwas höher gelegenen Terrasse des Liescher Berges im Distrikt „Auf der Kerrichhof“, in moselfränkischer Mundart: "Ob ’m Körfich" (Auf dem Kirchhof), begraben worden sein – der Kultur- und Orchideenweg überquert dieses Gelände.

Die Schlacht hat natürlich auch Spuren hinterlassen: In der Talniederung fanden Bauern beim Bestellen ihres Landes bis in die jüngere Vergangenheit hinein immer wieder mal Reste von Waffen und anderem Kriegsgerät, Kanonenkugeln und viele Hufeisen.

 

So sah es in Wasserliesch und Reinig nach der Schlacht aus

Nachdem die Franzosen sich Mosel aufwärts in Richtung Lothringen abgesetzt hatten, verzichteten die Deutschen auf ihre Verfolgung, zogen sich nach Trier zurück und setzten die Belagerung der Stadt fort. Marschall de Créqui war mit einigen seiner Offiziere nach Saarburg entkommen. Von dort aus schaffte er es, mit einer lothringischen Reiteruniform verkleidet, in die belagerte Stadt zu gelangen und das Kommando über die eingeschlossenen französischen Truppen zu übernehmen. Im weiteren Verlauf der Belagerung weigerte de Créqui sich hartnäckig, zu kapitulieren und die Stadt zu übergeben. Ein ungewöhnliches Ereignis kam den Deutschen zu Hilfe: die Unnachgiebigkeit de Créquis führte zur Meuterei seiner eigenen Truppen. Sie öffneten den Kaiserlichen am 6. September 1675 die Stadttore. Diese nahmen die Stadt in ihren Besitz und „der durch deutsche Gesinnung ausgezeichnete Kurfürst Erzbischof Karl Caspar von der Leyen zog wieder in seine Hauptstadt ein,“ so ist auf dem Granadenkmal zu lesen.

De Créqui ergab sich nach der Einnahme der Stadt noch immer nicht. Er besetzte den Dom und kämpfte mit wenigen seiner Getreuen verbissen einen Ehrenkampf. Über die Umstände seiner Gefangennahme gibt es zwei Versionen. Die eine besagt, dass er zuletzt in einen Turm des Trierer Doms geflüchtet und dort von einem Braunschweigischen Offizier gefangen genommen worden sei. Nach der anderen habe man ihn hoch zu Ross im Dom selbst hinter einem der Altäre gestellt und festgenommen. Jedenfalls wurde er inhaftiert und nach Koblenz in die Festung Ehrenbreitstein gebracht. Wenig später ließ ihn der Trierer Kurfürst – vermutlich als Geste des guten Willens gegenüber Ludwig XIV. – wieder frei.

Marschall François de Bonne de Créqui erschien neun Jahre später nach Einnahme der Stadt Luxemburg im Juni 1684 mit seinem Heer erneut in unserer Gegend und eroberte Trier ein weiteres Mal. Er ließ alle Türme der Stadt niederreißen und den Stadtgraben zuwerfen. So rächte er sich und wetzte die in der Schlacht an der Konzer Brücke erlittene Niederlage wieder aus. 

Man kann die Frage stellen, ob die Schlacht an der Konzer Brücke nicht auch auf die rivalisierenden Machtinteressen des Trierer Kurfürsten Karl Caspar von der Leyen und Ludwig XIV. zurückzuführen war. Sicher spielte das mit eine Rolle, doch die machtpolitischen Verhältnisse damals lassen keinen Zweifel daran aufkommen, dass Ludwig XIV. – auch noch nach der verlorenen Schlacht an der Konzer Brücke – auf Grund seiner Machtfülle am „längeren Hebel“ saß. Der „glänzende Sieg“ der deutschen Truppen konnte also nichts daran ändern, dass er den Konflikt am Ende für sich entschied. Auf der Verliererseite standen aber nicht nur der Trierer Kurfürst, sondern auch die Bewohner unserer Heimat, die über viele Jahre hinweg unter all diesen Ereignissen leiden mussten.

Die Situation der hiesigen Bevölkerung zwei Jahre nach der Schlacht verdeutlicht ein Gesuch um Steuererleichterung aus dem Jahre 1677, das die „Landrichterei“ Grevenmacher (der Ort liegt in Luxemburg, 10 km Mosel aufwärts) an die Abgeordneten der drei Staaten Flandern, Herzogtum Luxemburg und Hennegau richtete. Darin heißt es, dass man, nachdem einige Dörfer, darunter Wasserliesch und Reinig, von einem anderen Lehnsherrn erworben worden seien, nun nicht mehr die Staatslasten tragen könne. Als Begründung wird angeführt, die Dörfer seien „durch den ersten und zweiten Durchzug und Aufenthalt Sr. Hoheit von Lothringen ruiniert und gebrandschatzt worden, denn in jedem von ihnen haben die Truppen Sr. Hoheit die Häuser eingerissen, alles Getreide, Lebensmittel und Vieh weggenommen und sie haben ihnen nicht mehr so viel gelassen, dass sie säen können“. Bemerkenswert ist, dass es in diesem Schreiben nicht einmal um die Folgen des Durchzugs fremder Truppen geht, sondern um das Verhalten der Söldner Herzog Karl V. von Lothringen, der mit seiner Armee in der Schlacht an der Konzer Brücke maßgeblich zum Sieg über die Franzosen beigetragen hatte.

Wer sich einen bildlichen Eindruck der Schlacht an der Konzer Brücke verschaffen will, dem sei das am Wasserliescher Marktplatz in einem Schauraum ausgestellte Diorama empfohlen. Es zeigt eine ca. 3 m x 4 m große Ansicht der Schlacht aus der Vogelschau. Als detailgetreues Modell, angefertigt nach einer zeitgenössischen Darstellung der Schlachtordnung, vermittelt es dem Be­trachter recht eindrucksvoll eine Vorstellung vom Kampfgeschehen. Das Modell erstellte im Jahre 1975 in mühevoller Kleinarbeit Adolf Metzdorf aus Oberbillig, ein gebürtiger Wasserliescher Bürger, aus Anlass der Feierlichkeiten zur Erinnerung an die damals tausend Jahre zurückliegende erste urkundliche Erwähnung von Wasserliesch und Reinig aus dem Jahre 975. Damals jährte sich die Schlacht an der Konzer Brücke zum dreihundertsten Mal.

 

Die Kriegergedenkstätte im Wald

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Kriegergedenkstätte im „Kopf“
Auf dem Kultur- und Or­chideenweg Wasserliesch vom Ausgangspunkt am Tennisplatz herkommend, treffen Sie auf hal­ber Berg­höhe im Wald, dem wegen sei­ner rund­li­chen Form so ge­nann­ten „Kopf“, auf eine Kriegergedenkstätte  aus dem Ersten Weltkrieg. Das Ehrenmal steht unmittelbar ne­ben einer Fels­wand, dem histori­schen „Karthäu­ser Stein­bruch“, geschützt von ei­ner niedrigen Stützmauer mit einem einfachen steinernen Kreuz darauf. Im Ge­gensatz zu den meisten Ge­denk­stätten dieser Art ist das Eh­renmal recht bescheiden mit Natur­steinen gemauert, die einen be­hauenen Sand­steinblock einfassen. Darauf steht ein Tatzen­kreuz, wie man es häufig auf oder an Kriegereh­renmalen und -gedenkstätten fin­det, ursprüng­lich mit einem „W“ in der Mitte – steht vermutlich für „Weltkrieg“ – und der Jahres­zahl „1914“ darunter (beides im Bild eingefügt). Außerdem be­fand sich über dem „W“ eine Kai­serkrone. Die Auf­schriften auf dem Kreuz, die man in alten Fotos se­hen kann, sind heute leider nicht mehr zu er­kennen. In den Gedenk­stein ist der Spruch eingemeißelt:

„Den gefallenen Kameraden von Wasserliesch, Reinig und Igel ge­widmet“.

Reinig, heute Ortsteil von Wasserliesch, nennt die Inschrift zusammen mit Wasserliesch und Igel, weil es damals noch selbstständige Gemeinde war.

In die Rückseite des Ehrenmals ist ein halbrunder Stein eingesetzt, der von einem älteren Ehrenmal stammen könnte. Sein oberer Teil trägt ebenfalls ein Tatzenkreuz. Darunter steht die Schrift „P.B.21.“ für „Pionierbatallion 21“ und die Jahreszahl „1915“, daneben ein Herz, in dem das Christusmonogramm „JHS“ fast vollständig verwittert ist. (Die Abkürzung „JHS“ hat mehreren Bedeutungen, in Deutschland wird sie meist mit „Jesus, Heiland, Seligmacher“ gedeutet). Der halbrunde Stein war offensichtlich in zwei Teile zerbrochen, bevor man ihn in das Ehrenmal einsetzte.

Die „Chronik Wasserliesch“ weiß, dass das Ehrenmal in der ersten Jahreshälfte des Jahres 1915 errichtet und am 9. Mai desselben Jahres feierlich eingesegnet worden ist. Es fällt auf, dass der Krieg zu diesem Zeitpunkt erst begonnen hatte, in den restli­chen Kriegs­jahren sind ja noch viele wei­tere Soldaten gefal­len. Üblicher­weise errichtet man den Gefallenen ein Eh­renmal doch erst nach Kriegs­ende.

Und aus welchem Grund hatte man ausgerechnet diesen Standort gewählt?

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Vorderseite und

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Rückseite des Ehrenmals


Etwas ungewöhnlich ist es ja schon, ein Kriegerehrenmal in freier Natur recht einsam im Wald aufzurichten. Man erwartet es eher auf dem Friedhof, einem Platz im Ort oder wenigstens dort, wo die Menschen, an deren Angehörige es erinnert, wohnen. Der Grund ist nicht bekannt. Möglicherweise hatte man sich nicht auf einen anderen Standort verständigen können. Es kann aber auch sein, dass es hier schon vorher eine Gedenkstätte aus früheren Kriegen, beispielsweise aus dem Deutsch-Französi­schen Krieg von 1870/71, mit dem in die Rückseite eingesetzten Gedenkstein gegeben hat.

Auch die Frage, weshalb man das Eh­renmal drei Jahre vor dem Ende des Ersten Weltkrieges, der ja erst 1918 zu Ende ging, hier aufstellte, kann nicht mehr so ohne weiteres beantwortet werden. Eine Erklärung liefert vielleicht die an der Westfront nach den ersten Kriegsmonaten entstandene Situation.

Als am 31. Juli 1914 der Kriegszu­stand erklärt und einen Tag später der Deutsche Kaiser und die fran­zösische Regierung die allgemeine Mobilmachung anordne­ten, über­schlugen sich hier die Ereignisse. Man rechnete so nahe der französischen Grenze – nicht zuletzt aufgrund der Erfahrungen vergangener Zeiten – mit einem Überfall der Franzosen von Westen her. Es begannen umfangreiche deutsche Truppenbewegungen ins benachbarte Luxemburg und nach Lothringen. Bereits am 2. August 1914 besetzten deutsche Soldaten die Stadt Luxemburg. Gleich danach erklärte Deutschland Frankreich offiziell den Krieg, unter anderem wegen mehrerer seitens der Franzosen begangener Grenzverletzungen in Lothringen. Am 4. August drangen deutsche Truppen völkerrechtswidrig in das bis dahin neutrale Belgien ein in der Absicht, das Land zu durchqueren, die Franzosen unter Umgehung ihrer gegen die deutschen Grenzen gerichteten Verteidigungslinien von Norden her anzugreifen und in einer großen Zangenbe­wegung möglichst schnell zu bezwingen. Dieses wiederum nahm dann auch England zum Anlass, Deutschland am 5. August 1914 den Krieg zu erklären.

Erste für beide Seiten verlustreiche Kämpfe gab es schon unmittelbar nach Kriegsausbruch. Ende August 1914 entwickelten sich zwischen den Vogesen und der Schelde die so genannten Grenzschlachten, die zusammen mit der Marneschlacht im September hohe Verluste an Menschen und Material zur Folge hatten. Etwa Mitte November, nach den Kämpfen bei Ypern, nahmen die kriegerischen Aktivitäten an der Westfront etwas ab, das Kräfteverhältnis zwischen den Krieg führenden Armeen war zu diesem Zeitpunkt weitgehend ausgeglichen, weshalb sich danach der noch lange andauernde Stellungskrieg entwickelte. Die Front war gewissermaßen „erstarrt“.

Diese Situation vermittelte vermutlich in Wasserliesch und Umgebung, vielleicht sogar allgemein, den Eindruck, der Krieg sei schon gewonnen und gehe schnell zu Ende. In Deutschland herrschte ja, wie das zumindest in der Anfangsphase der Kriege immer wieder der Fall gewesen ist, die allgemeine Zuversicht, man könne ihn rasch für sich entscheiden. Anfängliche Siege der deutschen Truppen stützten diese, wie wir heute wissen, allzu positive Einschätzung. Vor diesem Hintergrund mag der Wunsch aufgekommen sein, schon vor Kriegsende ein Kriegerehrenmal für die Gefallenen zu errichten. Die Initiative dazu soll aber nicht von den Einwohnern ausgegangen sein, sondern von einer der hier stationierten deutschen Pioniereinheiten, dem Pionierbatallion 21 aus Mainz-Kastel. Eine erste Einheit sei bereits am 7. August 1914 mit etwa 110 Soldaten in Igel, Wasserliesch und Reinig eingerückt und bei den Bewohnern einquartiert worden, wissen zeitgenössische Quellen zu berichten. Diese Einheit hatte den Auftrag, eine hölzerne Pionierbrücke zwischen Reinig und Igel über die Mosel hinweg zu errichten, sie zu bewachen und für die Truppenbewegungen und den Nachschub verfügbar zu halten. Der Bau der Brücke begann am 8. August und war wenige Tage später abgeschlossen. Sie verband nun die beiden Orte und stand hier bis zum 13. Dezember 1915, als Hochwasser der Mosel sie hinwegspülte. Danach baute man sie nicht wieder auf, weil das Geld fehlte.

Während der Stationierung der Pioniereinheiten entwickelten sich vielfältige Kontakte zwischen den Pionieren und den Familien, bei denen sie einquartiert waren. Auf Grund des engen und freundschaftlichen Verhältnisses zur Bevölkerung, das sich ergeben hatte, und als Dank für die freundliche Aufnahme, sollen die Pioniere beschlossen haben, den Gefallenen der drei Gemeinden ein Ehrenmal zu errichten. Die Initiative kann aber ebenso gut von den Bewohnern ausgegangen sein, wobei das Vorhandensein einer Brücke über die Mosel ein solches Vorhaben beflügelt haben könnte. Die immer schon bestehenden engen Bindungen der drei Nachbarorte zueinander dürften durch die Brücke zusätzlichen Auftrieb erhalten haben. Wie auch immer, bestimmt bediente man sich aber bei der Herrichtung des Geländes und der Aufstellung des Ehrenmals der Hilfskräfte und technischen Möglichkeiten, die eine Pioniereinheit bieten kann. Den Gedenkstein haben wohl eher einheimische Steinmetze bearbeitet, denn dieses Handwerk besitzt in Wasserliesch und Reinig bis heute eine lange Tradition. Fesst steht jedenfalls, dass sich das „Pionierbatallion 21“ aus Mainz auf der Rückseite des Ehrenmals „verewigt“ hat. Es darf daher als Erbauer des Ehrenmals gelten.

Bleibt noch nachzutragen, dass man am 9. Mai 1915 nach der Feier zur Einsegnung des Ehrenmals einen Maikranz band und ihn mit Musikbegleitung durch Reinig und Wasserliesch trug; möglicherweise handelte es sich dabei auch um eine Art Siegesfeier. Dass die Stimmung tatsächlich so gewesen ist, belegen die Aufzeichnungen eines Wasserliescher Lehrers. Nach ihnen wurde die Bevölkerung etwa nach einem Sieg der Deutschen über die Franzosen bei Lunéville Anfang September 1914 aufgerufen, die Häuser zu beflaggen und den Sieg zu feiern. Einer der Brückenposten soll aus diesem Anlass im alkoholisierten Zustand "die Straßen von Reinig und Wasserliesch unter Gewehrhagel versetzt" haben, man habe ihn nur mit Mühe daran hindern können, Schlimmeres anzurichten.

Nebenbei bemerkt: Aus der Einweihungsfeier am 9. Mai 1915 entwickelte sich ein schöner Brauch, der noch über den Zweiten Weltkrieg hinaus hier praktiziert wurde: Jedes Jahr am ersten Mai spielten Bläser bei Tagesanbruch im „Kopf“ vor dem Ehrenmal das „Lied vom guten Kameraden“, dessen Klänge dann der Wind aus dem Wald heraus über Reinig hinwegtrug.

Ein einsames Soldatengrab

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Gedenkstein für Franz Krömer auf dem Eh-renfriedhof von Wasserliesch
Eine Art „Ergänzung“ bekam das Kriegerehrenmal im „Kopf“ im Jahre 1945 während der letzten Tage des Zweiten Weltkrieges mit einem Soldatengrab.

Auf dem Liescher Berg war damals eine deutsche Flak­einheit zur Abwehr feindlicher Luftan­griffe statio­niert. Ihr gehörte auch der Ober­gefreite Franz Krömer aus dem ober­schlesi­schen Oppeln, dem heute polni­schen Opole, an. Als die amerikanische Infanterie von Süd­westen her die Stellung dieser Ein­heit angriff, entwi­ckelten sich auf dem Berg und an seinen Hängen hef­tige Kämpfe, in deren Verlauf Granatwerfer ein­gesetzt wur­den. Etwa 100 m vom Kriegerehrenmal ent­fernt schlug am 21.2.1945 eine der Granaten ein, tötete Krömer und ver­wundete zwei weitere deutsche Soldaten schwer.

Die Wasserliescher Bevölkerung war zu die­sem Zeit­punkt bis auf einige Wenige evaku­iert. Zwei der im Dorf zurückgebliebenen Männer fanden den Gefallenen und die bei­den Verwun­deten im Wald in der Nähe des Krie­gerehrenmals. Nachdem sie die Ver­letz­ten mit Hilfe anderer versorgt und ins Dorf ge­schafft hatten, bestatteten sie den Toten unmit­telbar neben dem Ehrenmal. „In Pfer­dedecken einge­hüllt senkte man ihn in die Erde und gab ihm den Schaft des Karabiners und zwei Handgranaten mit“, so die „Chronik Wasser­liesch“. Ein einfaches Birkenkreuz schmückte die Grab­stätte. Es wurde später durch ein ande­res Holzkreuz mit dem Na­men des Toten ersetzt.

Die Grabstätte wurde zunächst von einer ortsansässigen Familie betreut; nachdem die Ange­hörigen gefunden waren, überließ man ihnen die Pflege. Sie stand noch bis in die 1970er Jahre hinein. Heute erinnert noch einer der Gedenksteine des kleinen Ehrenfriedhofs neben der Wasserlie­scher Fried­hofskapelle an das Soldatengrab.

 

Eine alte Felsinschrift

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300 Jahre alte Felsinschrift an einer Felswand im 
historischen „Karthäuser Steinbruch“
Als aufmerksamer Wanderer werden Sie gleich neben dem Krieger­ehrenmal eine nicht fertig­gestellte über 300 Jahre alte In­schrift an der Fels­wand des ehe­maligen „Karthäuser Stein­bruchs“ ent­de­cken und zu ent­ziffern versuchen. Ihr Wortlaut bezieht sich in keiner Weise auf diesen ehrwürdigen Ort. Ver­mutlich ha­ben Steinbre­cher sie Anfang des 18. Jahrhun­derts hier ein­gemeißelt, bevor der Ab­bau von rotem Sand­stein ein­gestellt wurde. Über den Grund der Schlie­ßung des Stein­bruchs ist nichts bekannt. Möglicher­weise genügten die dort gebroche­nen Steine nicht mehr den Qualitätsanforderun­gen, oder man erschloss einen der ande­ren Steinbrüche, die rings um den Liescher Berg herum zum Teil noch bis in das 20. Jahrhundert hinein in Betrieb gewesen sind.

Ob die Inschrift im Zusammenhang mit der Schließung des Steinbruchs steht, lässt sich ihrem Wortlaut aber nicht entnehmen. Sie befasst sich aber mit dem, was die Steinbrecher im 17. und 18. Jahrhundert, ebenso wie viele Arbeiter heute noch, be­schäftigt haben dürfte. In der da­mals üblichen Schreibweise stellen sie fest:

"A. D. 1702 VNT 3 HABEN WIR DEN WEIN FOVR 1 ALBVS"

Im Klartext: „In den Jahren 1702 und 3 haben wir den Wein für einen Albus ...“ Am Ende fehlt vermutlich das Wort „getrunken“ oder eine andere Fort­setzung des Textes, der, aus wel­chen Gründen auch immer, nicht mehr fertig geworden ist. Der "Albus", zu Deutsch "Weißpfennig“, war eine Münze, die der Trierer Erzbischof Kuno von Falkenstein nach 1368 in Umlauf setzte. Sie war damals westlich des Rheins sowie am Mit­tel- und Niederrhein gültiges Zah­lungsmittel. Der mit „1 Albus“ an­gegebene Kaufpreis für den Wein beziehe sich auf ein „Quart“, ver­mutet die „Chronik Wasser­liesch“. Das Quart, abgekürzt „Q“, bezeichnet eine alte deutsch-angloameri­kanische Maßein­heit für Flüssigkeiten. Ein Quart entsprach einer Menge von 1,145 Liter.

Was aber sollte die Inschrift bezwecken? Haben sich die Steinbrecher hier auf originelle Art und Weise über den Preisanstieg beim Wein beklagt, einem Getränk, mit dem sie während oder nach der Arbeit ihren Durst löschten? Wenn das so war, ist der Spruch durchaus auch heute noch aktuell.

Die Römer waren auf dem Liescher Berg

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Alte Baureste oder militärische Stellung?
Entlang des Kultur- und Orchi­deen­weges Wasserliesch gibt es auf dem Hochplateau des Lie­scher Berges weitere Zeugnisse vergangener Zeiten. Nahe des Wan­derweges, der ne­ben der Löschemer Kapelle bergwärts abzweigt, gibt es rätselhafte Überreste aus früheren Zeiten, deren Herkunft nicht bekannt ist. Wenn Sie den Waldrand ent­lang etwa 200 m weit gegangen sind, stoßen Sie rechts des Weges, gleich hinter der Stelle, an der Sie in den Wald eintreten, darauf.

Hier, an der höchsten Stelle des Lie­scher Berges, erstrecken sich ent­lang eines gera­den etwa 50 cm tiefen Gra­bens, der schon an der Kapelle be­ginnt und den Sie, nachdem er nach rechts abgebogen ist, beim Eintritt in den Wald über­que­ren, auf einer etwa 300 m lan­gen und 30 m brei­ten Flä­che, über­wu­chert von Bäumen und Sträu­chern, eine größere Zahl be­mooster Stein­haufen, Stein­wälle und weitere Grä­ben. Auf den ersten Blick wirken sie wie na­türli­che Gebilde. Doch bei ge­naue­rem Hinsehen werden Sie feststel­len, dass sie von Men­schenhand ge­schaffen sein müs­sen. Die umherlie­gen­den oder auf­einander gesetzten Steine sind zum Teil als Mauer­steine geformt oder von Steinmetzen bearbeitet wor­den. Kreis­förmige und eckige Bo­densen­ken könn­ten Reste von Bauwerken sein. Viel­leicht waren es auch nur Unterkünfte, in denen Menschen Schutz gesucht ha­ben oder es sind militä­rische Stellungen gewesen. Im Manuskript eines damaligen Wasserliescher Lehrers für eine Wasserliescher Chronik heißt es zu diesem Gelände: „Das auf dem Kamm des Berges sich ausdehnende Plateau hat uns auch geschichtlich etwas zu erzählen. Unter der Lieschemer Kapelle hat man Mauerreste gefunden, die auf mittelalterlichen Ursprung schließen lassen. Der Platz, ziemlich groß, schön gelegen und ziemlich geebnet, ist jetzt zum Teil Ackerland und zum Teil mit Fichten bestanden.“

Es ist also sehr gut möglich, dass es hier oben schon lange vor dem Bau der Löschemer Kapelle Gebäude und Anlagen größeren Umfanges gegeben hat.  

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Alter Markstein aus dem Jahre 1844
Mitten auf einem der Steinhaufen mar­kiert ein Stein mit einem Zeichen und der Nummer 285 darauf einen trigonometri­schen Punkt. Er wurde im Jahre 1844 hier auf­gestellt. Teil der Ge­samtan­lage ist er sicher nicht. Wie diese ein­mal aus­gese­hen hat und wel­chem Zweck sie diente, ist nicht be­kannt. Vielleicht wurde das Gelände schon zur Rö­merzeit genutzt, denn schließ­lich bot der Lie­scher Berg zu al­len Zeiten auf Grund seiner expo­nierten Lage mit ei­ner Rund­umsicht in nahezu alle Rich­tun­gen ideale Voraus­setzun­gen für eine Nutzung durch das Militär, etwa als Vorposten zum Schutz der Stadt Trier.

Konkretere Hinweise für eine Nutzung des Hochplateaus gibt es für das Alte La­ger an der süd­westlichen Seite. Der am Park­platz „Per­feist“ vorbeiführende Kultur- und Orchideen­weg Wasserliesch führt Sie in ei­ner großen Schleife wenige Me­ter an dem Kul­turdenkmal vorbei. Weit­gehend be­wachsen mit Bäu­men und Sträuchern kön­nen Sie hier ausgedehnte Gräben und Ruinen mit Mauer­resten be­staunen, die zu einem antiken Mi­litärla­ger gehören. Seine Ge­schichte reicht weit zurück, aber nie­mand weiß genau, wie alt es ist. Fach­leute datieren es ins 3. Jahr­hundert, doch ist das, ebenso wie Vermu­tung, dass die Rö­mer es erbauten und nutz­ten, nicht durch Urkunden oder andere Quellen belegt.

Um das Lager herum bricht die Berg­kante nach drei Seiten hin abrupt ab. Mit einem Steinwall nach diesen Seiten hin geschützt war das Lager schon allein auf Grund des­sen bestens gegen mögli­che Angriffe abge­sichert. Zweifellos ist es eine dafür bestens geeig­nete Stelle, an der die Er­bauer es er­richteten, denn die Anlage war nicht nur schwer einnehm­bar, sondern bot auch weit­reichende Sicht hinunter ins Mo­seltal und auf die umlie­genden Hö­hen von Ardennen, Eifel und Saargau.

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Grundriss des Alten Römerlagers
Es hat in der Vergangenheit mehrere Ver­suche gegeben, Nachweise zum Ur­sprung und zur Zweckbestim­mung des Lagers zu finden. So führte man hier schon im Jahre 1853 Ausgra­bun­gen durch, aber es kam nicht sehr viel dabei heraus. Außerdem weiß die „Chronik Wasser­liesch“ von Aus­grabun­gen zu berichten, die auf Wunsch vieler Bewoh­ner von Wasserliesch und Reinig mit einem Arbeitsaufwand von 100 bis 200 Arbeitsta­gen Ende des 19. Jahr­hun­derts durchgeführt worden seien; man habe sie am 17. März 1896 abgeschlos­sen. Im Ver­lauf dieser Ak­tion legte man Um­fas­sungsmauern ver­schiedener Ge­bäude frei. Auch sollen am süd­lichen Rand, in dem abschüssi­gen Ge­lände un­terhalb der Anlage, Mauerwerk und Ge­wölbe­reste gefun­den worden sein, die zu ei­nem unterir­dischen Gang gehört haben könn­ten. Ferner grub man in den Jahren 1973/74 in dem Ge­lände, fand aber nur einige Dach­ziegel sowie zerbro­chene Töpfe und Krüge, die nach Meinung der Ar­chäologen aus der Rö­merzeit stam­men könnten. Für die Wasserversorgung hatten die Erbauer eine Zis­terne gegra­ben, die vielleicht das Wasser des etwa 80 Hö­henme­ter tiefer gelegenen „Angelborn“ nutzte, der noch bis nach Ende des Zwei­ten Weltkrie­ges auch der Trinkwasser­ver­sorgung von Wasser­liesch und Reinig diente.

Immerhin war das Römerlager nach die­sen Funden für die Fachleute so inte­ressant gewor­den, dass es im Jahre 1976 endlich auch vom „Rheini­schen Landesmuseum Trier“ ver­messen und archäologisch auf­genommen wurde. Es bildet insge­samt ein großes Rechteck von 94 m Länge und 47 m Breite, des­sen Längs­achse sich von Ost nach West erstreckt. Seine lang gestreckte Nord­seite, an der der Orchideenweg vor­bei­führt, wird von ei­nem 80 cm tiefen Gra­ben begrenzt, den ein 7,00 m breiter Zu­gang unter­bricht. Weil diese der Hoch­flä­che des Berges zuge­wandte Seite mögli­chen Angreifern den leich­testen Zugang bot, hatte man sie mit einem vorgela­gerten Mauerriegel, der heute fast voll­ständig abgetragen ist, zusätzlich abge­schirmt.

In der Südwestecke des Lagers sind die Grundmauern eines rechteckigen Ge­bäu­des zu sehen, das 19,4 m lang und 12,0 m breit war. Daran schießt sich nach Osten hin ein 6,0 m breiter lang gestreckter Bauflügel mit einem parallel verlaufenden Mauerzug an. Nach dem Jahresbericht der „Trierer Gesellschaft für nützliche Forschungen“, der sich auf das Jahr 1853 bezieht und ein Jahr später herausgegeben wurde, war das Ge­bäude in 6 Innen­räume unterteilt; ihre Mauern sind noch erkennbar. Beschreibung und Lageskizze verdeutli­chen, dass das Römerlager militä­rischen Zwe­cken ge­dient haben muss. Es war wohl ein Vor- und Beobach­tungs­posten zum Schutz der Stadt Trier. Aus der Tat­sa­che, dass man bei den Aus­grabungen nur wenige Über­reste fand, schließen die Fachleute, dass es nicht lange ge­nutzt worden ist.

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Einige Grundmauern der Gebäude 
Im Jahre 1704 soll das Lager im Verlauf des Spanischen Erbfolgekrieges (1701-1724) von dem englischen Feldherrn John Churchill, Herzog von Marlborough, im Zuge der Befreiung der Stadt Trier von der französischen Besatzung, aus­gebaut oder genutzt worden sein. Diese Aktivitäten Marlboroughs fallen zeitlich mit umfangrei­chen Sicherungs- und Schanz­arbeiten im Bereich der Konzer Brücke und ihrer Umgebung zusam­men, für die er bis zu 6 000 Männer aus der Landbe­völke­rung zur Ableistung des Fron­dienstes rekrutierte. Möglicherweise gibt es damit einen Zusam­menhang.

Während des Deutsch-Französischen Krieges von 1870/71 soll die Anlage und die ganze Hochfläche auf dem Liescher Berg noch einmal für das Militär interes­sant gewesen sein. Damals habe Gene­ralfeldmarschall Lud­wig von Moltke sie in Augenschein ge­nommen, um sie als Vorpos­ten für die Absicherung der Stadt Trier aus­zubauen, was dann aber nicht geschah.

Wie die „Chronik Wasserliesch“ berich­tet, besichtigten in den Jahren 1912/13, also vor Beginn des Ersten Weltkrieges, höhere deutsche Offiziere mehrmals das Hochplateau des Liescher Berges. Sie erkannten wieder einmal die strategische Bedeutung dieses Gebietes und ließen Abwehrstel­lungen bauen. Schwere Artillerie sollte hier oben Stel­lung bezie­hen. Koblen­zer Pioniere und Trierer In­fanteristen befestigten die Zufahrts­straße vom Ort bis zur Berg­höhe. Aber es kam zu keiner militärischen Nutzung, denn eine vorab ange­legte Großübung, bei der ein Angriff der Franzosen von Wes­ten her annahm, brachte nicht das erhoffte Ergebnis. Auch während des Zweiten Weltkrieges nutzte das Mi­litär die Höhe. So grub sich eine Flakein­heit der Deutschen Wehr­macht im Jahre 1939 hier ein. Überreste der Stellun­gen sind im Orchi­deengebiet und innerhalb des Römerla­gers noch vor­handen. Andere Überreste militäri­scher Stellungen aus den letzten Tagen des Zweiten Weltkrieges gibt es noch in der Nähe der Löschemer Kapelle.

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Überreste eines unterirdischen Ganges?
Die Überlieferung verweist auf eine ganz andere Nutzung. Nach ihr soll das Rö­merlager vor langer Zeit ein Kloster ge­wesen sein. Der Volksmund nennt das Ge­biet heute noch „Kloster­gar­ten“ – vielleicht ein Indiz für diese Deu­tung. Es sei eine Nie­derlassung der „Tem­pelher­ren“, auch „Templer“ ge­nannt, gewesen. Ge­meint ist der schon im Mittelalter euro­paweit agie­rende Orden, den es in Deutsch­land unter dem Na­men „Deut­scher Tempelherren­or­den“ noch gibt.

Meistens werden solche Sagen­geschich­ten im Lauf der Jahr­hunderte im­mer wieder neu gesponnen und erwei­tert. So wird auch gesagt, es habe von dem Lager aus einen unterirdi­schen Gang hinunter ins Dorf ge­geben, der in einem Wohn­haus endete. Die auf dem Berg residierenden from­men Ordens­leute hätten ihn, nachdem sie sich zu Raubrit­tern gewan­delt hatten, für ihre Raub­züge genutzt. Für diese recht abenteu­erliche Geschichte gibt es aber keinerlei Belege, doch könnten die Baureste unterhalb des Römerlagers in der Nähe der „Angelborn-Quelle“ die Entstehung der Sage des unterirdischen Ganges erklären.

Nüchtern betrachtet ist es sehr unwahrscheinlich, dass es hier oben jemals ein Kloster gegeben hat, denn gerade Klöster haben ihre Spuren überall in den Archiven und wohl auch umfangreichere Baureste hinterlassen. Letztlich gibt es aber dafür und für die anderen Erklärungen keine nachprüfbaren Quellen. So wird das geschichtlich interessante Hochplateau auf dem Liescher Berg viele seiner Geheimnisse wohl auch in Zukunft zu verbergen wissen.

 

Literatur:

Chronik Wasserliesch (Gemeinde Wasserliesch)

G. Kentenich, Geschichte der Stadt Trier

(Verlag der akademischen Buchhandlung Interbook, Trier)

Golo Mann, August Nitschke, Propyläen Weltgeschichte (Propyläen Verlag Berlin-Frankfurt a. M.)

Brockhaus-Enzyklopädie

Wikipedia-Enzyklopädie

Jahresberichte der „Gesellschaft für nützliche Forschungen“, Trier