Reaktivfarbstoffe

Benjamin Becker

Reaktivfarbstoffe zeichnen sich dadurch aus, dass sie durch kovalente Bindungen an die Faser gebunden sind. Dadurch erhalten sie eine hohe Waschechtheit. Die Moleküle lassen sich aufteilen in ein Farbstoffmolekül, eine löslichmachende Gruppe und einen reaktiven Anker, der über ein Brückenglied mit dem eigentlichen Farbstoffmolekül verbunden ist.

Aufbau eines Reaktivfarbstoffs

 

L-1

- F -1

- B -1

- (RA) - X1

 Bezeichnung

Löslichmachende Gruppe

Farbstoff 

 Brückenglied

 Reaktiver Anker

 Funktion

Molekül wird wasserlöslich ;

Kann dadurch besser aufziehen; nicht gebundene Moleküle können ausgewaschen werden

Absorbiert Licht; verleiht dem Molekül dadurch Farbe

Gibt dem Anker Beweglichkeit ,

falls der Farbstoff durch Nebenvalenzen festgehalten wird

Verbindet das Molekül durch kovalente Bindungen mit der Faser

 Beispiele

Polare Gruppen

z.B.: -SO3H

Azofarbstoffe

(gelb/orange/ rot)

Azo-Metall-

komplexe

(violett/ rubinrot/ marin)

Anthrachinone

(violett/blau)

Phtalocyanine

(blau/dunkelgrün)

-NH-

-NHCO-

-SO2NH-

-(CH2)2-

Es gibt ca. 300 geeignete

reaktive Anker (siehe

Reaktions-mechanismen:

Substitution

Addition)

Geschichte der Reaktivfarbstoffe

1895

Cross / Bevan

Versuche, ein p-Aminobenzolderivat der Cellulose herzustellen, um auf der Faser einen Azofarbstoff zu entwickeln; Fehlschlag

1924

BASF

Anknüpfung von Azofarbstoffen über Esterbrücken; kein Erfolg, da Esterbrücken zu leicht aufbrechen

1936

Matter

Veröffentlichung über "bemerkenswert substantive Eigenschaften" der Dichlortriazingruppe; bleibt jedoch unbeachtet

1954

W.E.Stephen/ I.D.Rattee

Gezielte Untersuchung der Cyanurchlorid- Farbstoffe; außergewöhnlich waschechte Baumwollfärbungen --> Patent

1956

ICI

Die Erfindung von Stephen und Rattee erscheint als Proicon- Sortiment auf dem Markt

1957 - 1964

Alle namhaften Hersteller (CIBA, Hoechst, Geigy, Bayer, Sandoz, BASF) bringen Reaktivfarbstoffe auf den Markt

1 Hinweis: Die Abkürzungen -L , -F- und -B- stehen auch in den Mechanismen für löslichmachende Gruppe,

Farbstoffmolekül und Brückenglied

Reaktionsmechanismen

a) Substitution

Geeigneter reaktiver Anker: Cyanurchlorid (2,4,6-Trichlor-1,3,5-triazin)

Getrocknetes Chlorcyan wird bei ca. 380-500 °C am Aktivkohlekontakt trimerisiert. Die Vorteile des Cyanurchlorids sind, dass es relativ billig in einem kontinuierlichen Verfahren hergestellt werden kann und dass die drei Chlor- Atome bei unterschiedlichen Temperaturen nacheinander substituierbar sind. Das erste wird bei 5°C substituiert, das zweite bei 20-30°C und das dritte bei 80-100°C. Da Reaktivfarbstoffe am Triazinring entweder ein oder zwei Cl-Atome besitzen, kann man sie deshalb in Kalt- und Warmfärber einteilen.

Das erste Cl-Atom wird durch das Brückenglied (z.B.-NH-) substituiert, welches mit dem eigentlichen Farbstoffmolekül verbunden ist. Das zweite wird bei Warmfärbern durch -NH2 , -OCH3 ,-C6H4SO3- oder andere Nukleophile substituiert. Bei Kaltfärbern bildet es bereits die Bindung zur -OH-Gruppe der Cellulose, die bei Warmfärbern erst am dritten Cl-Atom zustande kommt.

In diesem Beispiel wurde die Reaktion eines Cyanurchlorid-Reaktivfarbstoffs mit Cellulose gezeigt. Da das zweite Cl-Atom bereits durch die NH2-Gruppe substituiert war, handelt es sich hier um einen Warmfärber. Natürlich gibt es auch weitere reaktive Anker, die für die Substitutionsreaktion geeignet sind; zum Beispiel 2,3-Dichlorchinoxalinderivate, 4,5-Dichlorpyridazone und 2,4,5-Trihalogenpyrimidine. Sowohl die Addition als auch die anschließende Eliminierung können geschwindigkeitsbestimmende Schritte sein .

 

b) Addition

Eine andere Gruppe von Reaktivfarbstoffen reagiert nach dem Mechanismus der Addition. Der reaktive Anker ist hier eine Vinylgruppe, die in einer Eliminierungsreaktion vorher erzeugt wird, wobei meistens HSO4- abgespalten wird.

1.Eliminierung

2.Addition2

Auch für diesen Reaktionstyp gibt es andere reaktive Anker, diese haben jedoch in der Praxis kaum Bedeutung.

 

Probleme der Reaktivfarbstoffe

 

Die Vorteile der Reaktivfarbstoffe sind die hohe Waschechtheit (durch kovalente Bindungen ) und die hohe Farbbrillanz ( gute Verteilung, da sich pro Cellulose-Molekül nur ein Farbstoffmolekül anlagert ). Doch dieses Färbeverfahren hat auch Nachteile. Durch die hohe Reaktivität des reaktiven Ankers reagiert das Molekül nicht nur mit Cellulose, sondern auch mit H2O und OH-. Außerdem sind die ausgewaschenen Anteile des Farbstoffs nicht mehr reaktionsfähig. Dies bedeutet nicht nur einen ca.15 prozentigen Farbstoffverlust, sondern auch ein ernstes Abwasserproblem. Darüber hinaus sind Farbstoffe mit sehr reaktiven Ankern in alkalischer Lösung hydrolyseempfindlich. Während des Färbevorgangs muss deshalb immer auf eine genaue pH- Wert - Einstellung geachtet werden.

Da diese Probleme mit der hohen Reaktivität des Ankers zusammenhängen, besitzen modernere Reaktivfarbstoffe weniger reaktive Anker und werden bei der Reaktion durch Katalysatoren unterstützt .


2 Das Brückenglied ist hier meistens -NH- oder -NHCO- , so dass das hier dargestellte Markownikow - Produkt am wahrscheinlichsten ist.